Aller Anfang…

Morgen beginnt in Jena das Sommersemester, bei mir jedoch liegt der Beginn des griechischen Semesters schon mehr als anderthalb Monate zurück. Das bald die Hälfte meiner Vorlesungszeit vorbei ist, ist ein seltsames Gefühl. So viel ist in der Zwischenzeit passiert, dass ich nicht einmal mehr mit meinen so regelmäßig geplanten Blogbeiträgen hinterher gekommen bin. Stattdessen kann ich an dieser Stelle nur eine verhältnismäßig kurze Zusammenfassung meiner ersten Zeit in Ioannina geben.

Nachdem ich mich in der ersten Woche in meinem kleinen Airbnb-Apartment im Stadtzentrum zwar beinahe krank gefroren habe (Heizungen in Griechenland sind wirklich nicht besonders zuverlässig), bin ich am 15.2. ins (besser geheizte) Wohnheim auf dem Campus gezogen. Obgleich ich mein Zimmer ganz gerne mag, so vermisse ich doch das Stadtleben. Wenn nicht gerade Karneval oder ein landesweiter Generalstreik mit Demonstrationen gegen die griechische Regierung das Stadtzentrum lahmlegt, ist die Busverbindung zum Campus recht gut. Für einen kurzen Spaziergang durch die Altstadt und den See fährt man aber nicht unbedingt eine halbe Stunde mit dem Bus, von den Schwierigkeiten des Transportes von Wocheneinkäufen einmal abgesehen… 

Ich habe mein erstes Erdbeben erlebt (nur mit einer Stärke von 2,6 – im ersten Moment dachte ich an eine U-Bahn) und überraschend viel Regen (im Gegensatz zu Athen regnet es Ioannina ziemlich viel). An den trotzdem zahlreichen Wochenenden mit gutem Wetter habe ich mit anderen Erasmusstudierenden gemeinsam die Klöster von Meteora und die kleine Hafenstadt Parga besucht und bin nach Arta und Athen gefahren – eigentlich mehr als genug Stoff für die nächsten Blogbeiträge.

    1. Uni

    Doch auch wenn es manchmal schnell vergessen ist, so bin ich doch hier, um zu studieren. Insgesamt besuche ich vier Veranstaltungen; zwei Vorlesungen und zwei Seminare, die allesamt auf Griechisch stattfinden. Dienstags geht es in der Vorlesung um das 2. Jahrtausend v. Chr. im mediterranen Raum, mittwochs besuche ich ein vorbereitendes Seminar für eine zweiwöchige Ausgrabung auf dem Campusgelände im Mai und donnerstags ein Seminar zu griechischer Malerei sowie eine Vorlesung über griechische Heiligtümer. Da jede Veranstaltung an meiner Fakultät drei Stunden dauert, bin ich ganz gut beschäftigt. Zwar reicht mein Griechisch bei weitem nicht aus, um auch nur die Hälfte zu verstehen, aber zumindest die Themen kann ich mir erschließen – und parallel führe ich fleißig eine Vokabelliste. Als Prüfungsleistung werden von mir kurze Präsentationen und drei Essays erwartet – die aufgrund der eher dürftigen Ausstattung der Unibibliothek leider, leider schon einen Besuch in der Bibliothek des DAI in Athen erforderten… 

    Die Veranstaltungen geben mir nicht nur die Möglichkeit, griechisches Fachvokabular zu erlernen, sondern auch Gelegenheit für Sozialstudien. So war mir beispielsweise nicht bewusst, wie groß eigentlich der Kaffeebedarf des durchschnittlichen Griechen ist. Nach jeder Pause, die pro Veranstaltung einmal 20 – 30 Minuten dauert, kommen die Dozierenden und ein Teil der Studierenden mit einem Kaffeebecher wieder – sofern sie nicht schon mit einem Becher in der Hand die Vorlesung begonnen haben. Vielleicht wird die Zwischenpause ja auch nur deshalb gemacht? Und als Raucherpause natürlich, denn schließlich hängen in den älteren Veranstaltungsräumen eigene Verbotsschilder (ΜΗΝ ΚΑΠΝΙΖΕΤΕ heißt das übrigens) – auf den Fluren vor dem Raum stört das allerdings scheinbar niemanden mehr. 

    Vollkommen verblüffend war für mich das Fehlen des Klopfens oder selbst des Applaudierens am Ende einer Vorlesung. Nach dem letzten Satz des Dozierenden stehen alle einfach auf und gehen. Eine kurze Umfrage unter anderen Erasmusstudierenden hat ergeben, dass das auch in Italien, Rumänien und der Türkei nicht üblich ist – was ich sehr schade finde.

    Antikensammlung der Universität

    2. Griechisch

    Zusätzlich zu meinen Vorlesungen habe ich dreimal die Woche (Montag-, Dienstag- und Mittwochmorgen) drei Stunden Griechischunterricht. Der eigens für Erasmusstudierende angebotene Kurs wäre auf absolute Anfänger ausgerichtet gewesen, sodass ich einen anderen, etwas fortgeschritteneren Kurs belegt habe. In Kombination mit meinem Studium und dem griechischen Alltag mache ich inzwischen Fortschritte; ich hoffe sogar, Ende Mai das offizielle Sprachexamen für B1 ablegen zu können. Ioannina ist zum Griechisch Lernen auch ein deutlich besseres Umfeld als Athen – in Geschäften kann ich inzwischen viele meiner Einkäufe auf Griechisch abwickeln, ohne dass sofort beim Anblick meines Rucksacks auf Englisch gewechselt wird.

    Ich mag die griechische Sprache nach wie vor sehr gerne, auch wenn sie (wie jede andere Sprache auch) ihre Tücken hat. Zum Glück geht es nicht nur mir so – einmal hat ein griechischer Kommilitone in seiner Präsentation statt einer „kritischen Analyse“ eine „kretische Analyse“ angekündigt. Durchaus naheliegend, angesichts der Tatsache, dass beides im Griechischen gleich ausgesprochen wird – und für mich sehr beruhigend. 

    Für viele der anderen Erasmusstudierenden ist die Herausforderung jedoch noch um einiges größer: mit Ausnahme einiger Vorlesungen für Wirtschaft sind alle Veranstaltungen auf griechisch, sodass sie diese komplett im Selbststudium nacharbeiten müssen. Sofern sie hier im Ausland überhaupt ernsthaft ihr Studium betreiben…

    Gemälde im Treppenhaus der Historisch-Archäologischen Fakultät

    3. Sozialleben

    Gemessen am Anteil aller am Erasmusprogramm teilnehmenden Nationalitäten bilden die Deutschen die größte Gruppe der Studierenden. Umso überraschender war für mich, dass ich dieses Semester tatsächlich die einzige Deutsche hier bin. Neben zahlreichen spanischen, italienischen, rumänischen, türkischen und polnischen Studierenden natürlich. Am Anfang gab es viele gemeinsame Aktivitäten, neben gemeinsamen Essen in der Mensa oder in der Innenstadt, ein paar Ausflüge in die Umgebung sowie zahlreiche Kneipenabende und „Traffic Light Partys“, von letzteren kann ich allerdings wirklich nichts erzählen. In der Zwischenzeit hat das jedoch ziemlich abgenommen, die meisten Freundesgruppen haben sich gefunden – und dabei bin ich irgendwie ein bisschen durch das Raster gefallen. Dass mein Sozialleben derzeit hauptsächlich telefonisch existiert, liegt zum einen an einer ziemlich erschöpften Sozialbatterie (einen Monat lang nicht wirklich über Smalltalk hinauszukommen ist frustrierend), zum anderen aber auch an meinem ziemlich vollen Stundenplan…

    Aber zum Glück studiere ich ja Archäologie. Neben gemeinsamem Keramiksortieren und einer geplanten Ausgrabung Ende April/Anfang Mai stehen auch einige Tagesexkursionen auf dem Programm. So geht es nächste Woche beispielsweise nach Kokkinopilo sowie nach Vergina und Pella, worauf ich mich schon sehr freue. Dabei unterhalte ich mich natürlich viel mit den griechischen Studierenden (derzeit noch auf Englisch). Das Knüpfen von Freundschaften braucht allerdings noch etwas Zeit…


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